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Der Friede von Brest-Litovsk und die ukrainische Staatsgründung

von Olena Synjavs’ka

Die russische Februarrevolution von 1917, der Machtantritt der Ukrainischen Zentralrada (UCR), seine Suche nach Kompromissen mit der Provisorischen Regierung, Bemühungen um eine Kooperation auf Augenhöhe mit den Ländern der Entente, der Oktoberumsturz in Petrograd und infolgedessen die Konfrontation mit den Bolschewiki – alle diese Ereignisse rückten für die Ukraine die Frage nach dem Austritt aus dem Ersten Weltkrieg in den Vordergrund.

In der außerordentlich breit aufgestellten Geschichtsschreibung zu diesem Themenkomplex sind Forschungsarbeiten sowohl von ukrainischen als auch von deutschen Historikern vertreten. An dieser Stelle muss hervorgehoben werden, dass es keine eindeutigen Einschätzungen gibt. Die ukrainische Sicht auf das Problem der Unterzeichnung des Friedens von Brest-Litowsk fiel unterschiedlich aus – je nach Lage im Land, dem Ausmaß der Politisierung der Geschichtswissenschaft sowie dem ideologischen Druck, der auf Historiker ausgeübt wurde. Die ersten Studien folgen unmittelbar auf die Geschehnisse selbst: die erste Person, die sich zu Beginn des Jahres 1918 der historischen Analyse des Stromes der Ereignisse zuwandte, war direkt an ihnen beteiligt – der berühmte ukrainische Historiker und Vorsitzende des UCR, Mychajlo Hruševs’kyj. Im Schlussteil seines Werkes „Die illustrierte Geschichte der Ukraine“, die 1919 veröffentlicht und 1967 in New York neu aufgelegt wurde, stellt der Autor dem von der Delegation des UCR und den Mittelmächten unterzeichnetem Friedensabkommen ein positives Zeugnis aus, bewertet jedoch die Politik der Obersten Heeresleitung in der anfänglichen Besatzungsphase negativ.

In der sowjetischen Geschichtsschreibung werden die ukrainisch-deutschen Beziehungen hauptsächlich durch das Prisma der sowjetisch-deutschen Beziehungen betrachtet, das Thema des Friedensabkommens von Brest-Litowsk wiederum im Kontext der Unterzeichnung des Abkommens zwischen dem bolschewistischen Russland und den Mittelmächten (bzw. des Viererbundes, bestehend aus dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, dem Osmanischen Reich sowie Bulgarien). Die meisten dieser Werke zeichnen sich durch schablonenhafte Bewertungen und Schlussfolgerungen aus. Ihre Autoren „entlarven“ die verräterische Politik der UCR und verfälschen oder unterschlagen dabei Tatsachen. Das Friedensabkommen von Brest-Litowsk kommt während der Periode der Entstalinisierung erneut auf die Forschungsagenda, als der ideologische Druck auf die Historiker gelockert wird und sie Zugang zu Archivmaterial erhalten. Das bedeutendste Werk aus jener Zeit ist die 1962 in Kyjiw unter dem Titel „Mit der Friedensfahne durch das Prisma der Flammen des Krieges. Die diplomatische Tätigkeit der ukrainischen Sowjetrepublik (1917 – 1920)“ [1] veröffentlichte Monografie von Ivan Chmil’. Darin werden die Beziehungen der Ukraine zu Deutschland negativ beurteilt. 1981 wurde in Kyjiw unter dem Titel „Der Friede von Brest und die Ukraine“ ein Sonderband von Heorhyj Nikol’nikov veröffentlicht. Der Band zeichnet sich aus durch eine tradiert negative Bewertung der Entscheidungen der UCR-Delegation bei den Verhandlungen von Brest-Litowsk sowie durch eine einseitige Bestimmung der Ursachen für die Besetzung der Ukraine durch deutsch-österreichisches Militär. Einen aufschlussreichen und ausgesprochen sachlichen Beitrag zu dem Thema liefert die 1988 in Kyjiw erschienene Monografie von Rem Cymonenko mit dem Titel „Brest: Duell zwischen Krieg und Frieden“. Der Autor widmet nicht nur den Verhandlungen von Brest-Litowsk große Aufmerksamkeit, sondern auch der Politik der Entente gegenüber der Ukraine vor Aufnahme der Verhandlungen zwischen der Ukraine und den Mittelmächten. Dadurch kann eine Reihe von Ursachen identifiziert werden, die die Entwicklung der ukrainisch-deutschen diplomatischen Beziehungen beeinflusst haben.

Im Gegensatz zur kategorischen Bewertung des von der ukrainischen Delegation unterzeichneten Friedensabkommens durch die sowjetische Geschichtsschreibung nehmen die ukrainischen Historiker der Gegenwart alternative Sichtweisen ein und beleuchten die verschiedenen Aspekte des Forschungsthemas. Polina Barvins’ka widmet sich dem Thema in ihrer 2001 in Odessa veröffentlichten Promotion mit dem Titel „Die ukrainisch-deutschen Beziehungen in den Jahren 1917 – 1922“. Darin weist die Forscherin insbesondere darauf hin, dass die deutsche Politik das Schicksal der ukrainischen Staatlichkeit im Jahre 1918 maßgeblich mitgeprägt habe; ferner seien die (deutsch-ukrainischen) Wirtschaftsabkommen vom 23. April und vom 10. September 1918 die rechtliche Grundlage für diese Beziehungen gewesen. Auch der bekannte Wissenschaftler Ihor Dackiv zeichnet in seinen Monografien „Brest 1918: Europäischer Durchbruch der Ukraine“ (Ternopil 2008) sowie „Die Diplomatie ukrainischer staatlicher Institutionen zum Schutz nationaler Interessen 1917 – 1923“ (Ternopil 2009) die Unterzeichnung des Friedensabkommens und den Eintritt der Ukraine in die internationale Arena detailliert nach und analysiert den Prozess der Entstehung und die Tätigkeiten der Botschaften und provisorischen diplomatischen Vertretungen während der unterschiedlichen Phasen der ukrainischen Revolution. Die Monografie von Volodymyr Holovčenko und Valerij Soldatenko unter dem Titel „Die ukrainische Frage während des Ersten Weltkrieges“ (Kyjiw 2009) ist ebenfalls erwähnenswert. Die Autoren würdigen die Unterzeichnung des Friedensabkommens durch die Delegation des UCR und die Mittelmächte und argumentieren, dass der entscheidende Faktor für die Haltung der Mittelmächte gegenüber der ukrainischen Regierung ihre Fähigkeit war, die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen sicherzustellen. Besondere Aufmerksamkeit verdient das Ergebnis eines deutsch-ukrainischen Forschungsprojekts, ein Sammelband mit dem deutschen Originaltitel „Die Ukraine zwischen Selbstbestimmung und Fremdherrschaft 1917 – 1922“ (Kyjiw 2015) sowie eine Untersuchung der Wissenschaftler des Historischen Instituts der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine unter dem Titel „Essays zur Geschichte der ukrainischen Revolution 1917-1922“ (Kyjiw 2012). Darin findet sich unter anderem ein eigener Abschnitt zum Thema „Februarrevolution. Ukrainische Zentralrada. Brest“, verfasst von Vladyslav Verstjuk. Es lässt sich also festhalten, dass die verfügbare historiografische Basis und Quellenlage es ermöglichen, den Verlauf der Verhandlungen, die Rahmenbedingungen der Unterzeichnung des Abkommens sowie seine Folgen so objektiv wie möglich herauszuarbeiten.

Die Bemühungen um einen Frieden durch die ukrainische Regierung begünstigten den Beginn der Friedensverhandlungen. Die ukrainische Seite entsandte Delegierte, um einen Waffenstillstand an den Fronten herzustellen. Im November 1917 wurde eine außerordentliche Sitzung des Komitees der Zentralrada einberufen, bei der sich die überwiegende Mehrheit der Parteien für die Teilnahme an den Friedensverhandlungen aussprach. Dies war ein positiver Schritt, doch als die Ukrainer in Brest-Litowsk ankamen, hatte die Delegation der Bolschewiki mit den Vertretern der Obersten Heeresleitung bereits eine provisorische Waffenruhe unterzeichnet, die die Vorbereitung und Unterzeichnung eines Friedensabkommens in absehbarer Zeit vorsah. In der aktuellen ukrainischen Geschichtsschreibung wird angenommen, dass die Entscheidungsträger der Zentralrada von diesem Zeitpunkt an allmählich erkannt haben, dass sie mit dem Lauf der Ereignisse nicht Schritt halten konnten [2] – sie standen vor einem Dilemma: entweder auf Zeit zu spielen und damit auf den alten Positionen der Entente zu verharren, oder die Taktik zu ändern, um den Bolschewiki die Initiative zu entreißen.

Nach hitzigen Diskussionen auf der Sitzung des Generalsekretariats und der 8. Sitzung der Zentralrada wurde der Beschluss gefasst, auf Augenhöhe mit anderen Staaten an den Friedensgesprächen teilzunehmen und unverzüglich eine eigene ukrainische Delegation nach Brest zu entsenden. Vsevolod Holubovyč (1885-1939), Generalsekretär für Handel und Industrie und Mitglied des Zentralkomitees der Ukrainischen Sozialistisch-Revolutionären Partei (UPSR) wurde zum Delegationsführer ernannt. Zu der Delegation gehörten auch der Fraktionsvorsitzende der UPSR im Komitee der Zentralrada, Oleksandr Sevrjuk (1893-1941), der Sekretär des Kongresses der Völker Russlands und Mitglied im Komitee der Zentralrada für die USRP, Mykola Ljubyns’kyj (1891–1938), der linke Sozialrevolutionär Mychajlo Poloz (1891–1937), Mitglied der Zentralrada, sowie das Mitglied der Zentralrada für die Ukrainische Sozialdemokratische Arbeiterpartei (USDRP) Mykola Levyts’kyj. Als Wirtschaftsbeirat fungierte Serhij Ostapenko (1881–1937), Dozent am Kyjiwer Handelsinstitut. Damit wurde diese Delegation zur ersten diplomatischen Repräsentanz des neuen Auswärtigen Dienstes der Ukraine. [3]

Die Annäherung der Ukraine an Deutschland war eine Reaktion auf eine Reihe von Umständen: die Notwendigkeit, den Krieg schnellstmöglich zu beenden; den Mangel an realer politischer Unterstützung von Seiten der Entente, deren Hauptziel es war, die Kampfhandlungen an der östlichen Front fortzuführen und ein „geeintes und unteilbares Russland“ wiederherzustellen; der Beginn der Verhandlungen zwischen dem Rat der Volkskommissare und den Mittelmächten sowie der von Seiten Sowjetrusslands begonnene Krieg gegen die Ukraine. Deutschland war ebenfalls an Verhandlungen mit der Ukraine interessiert, nicht zuletzt aufgrund der Meinungsverschiedenheiten mit der Delegation des Rats der Volkskommissare. Die Deutschen begriffen, dass die Anwesenheit der Ukrainer in Brest ihre eigene Verhandlungsposition stärken würde, und im Wissen über die politische Atmosphäre in der Ukraine erklärten sie sich schnell dazu bereit, die Teilnahme der Vertreter der Ukrainischen Volksrepublik (UNR) bei den Friedensverhandlungen zu begrüßen. [4]

Die Verhandlungen begannen Anfang Dezember 1917 und waren zunächst vertraulicher Natur. Wie Dmytro Dorošenko sich auf dem Weg nach Brest-Litowsk erinnert, erhielt die ukrainische Delegation weder von der Regierung noch vom Zentralrat detaillierte Anweisungen. Einzig Mychajlo Hruševs’kyj hielt mit den Delegierten eine Konferenz ab, auf der er ausführlich niederlegte, auf welche Ziele sie bei den Verhandlungen hinwirken sollten, insbesondere mit Blick auf die territorialen Bedingungen. [5]

Am 28. Dezember 1917 (dem 9. Januar 1918 nach gregorianischem Kalender) begann in Brest-Litowsk die erste Plenarsitzung der Friedenskonferenz. Deutschland wurde in den Verhandlungen durch den Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Richard von Kühlmann und seinen Stellvertreter, den Chef des Generalstabs an der Ostfront, General Max Hoffmann, vertreten; Österreich-Ungarn vertrat der Minister des Äußeren Graf Ottokar Czernin; Bulgarien sein Justizminister Kristian Popov und der Oberst im Generalstab Petro Gančev; die Türkei wurde durch ihren Botschafter in Berlin Ibrahim Hakki Pascha und den Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten Ahmed Messimi-Beja vertreten – später kam der Großwesir Mehmed Talât Pascha hinzu.

Auf der Plenarsitzung nahmen die Mittelmächte offiziell die Note der ukrainischen Regierung vom 11. (respektive 24.) Dezember 1917 an alle kriegführenden und neutralen Staaten zur Kenntnis, in welcher das Generalsekretariat über seinen Kurs in Richtung einer unabhängigen politischen Entwicklung der Ukraine informierte. Der 7. Punkt der Note besagt, dass die UNR vom Generalsekretariat vertreten wird und in internationalen Angelegenheiten eigenständig handelt. Dieses Dokument wurde zur Grundlage für den Beginn offizieller Verhandlungen zwischen den Vertretern der Mittelmächte mit der UNR-Delegation. Es sei darauf hingewiesen, dass gemeinsam mit der Erklärung des österreichisch-ungarischen Delegationsleiters Czernin über die Anerkennung der ukrainischen Delegation als bevollmächtigter Vertretung einer unabhängigen UNR eine ähnlich lautende Erklärung durch den Leiter der russischen Delegation Leo Trotzki abgegeben wurde. [6]

Es folgte eine Reihe von vertraulichen Gesprächen zwischen den deutschen, ukrainischen und österreichisch-ungarischen Delegationen. Bei diesen Treffen wurde das Problem der Grenzen des ukrainischen Staates und der zukünftige rechtliche Status Ostgaliziens sowie die Bildung einer Verhandlungskommission zur Ausarbeitung der politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Friedensbedingungen erörtert. Anschließend standen die Einsetzung einer Kommission zum Austausch von Gefangenen, Invaliden und Kranken auf der Tagesordnung; die Frage des Chełmer Landes als nordöstliche Grenze des ukrainischen Staates; die Wahrung der nationalen und politischen Rechte der Ukrainer in Österreich und der Polen in der Ukraine sowie der Abschluss eines Handelsabkommens zwischen den Mittelmächten und der Ukraine.

Insgesamt verliefen die Gespräche für die ukrainische Delegation erfolgreich, doch gleichzeitig bestand die Oberste Heeresleitung weiterhin auf dem Vorrang des Friedens mit Russland. Das österreichisch-ungarisch-deutsche Lager stellte der sowjetrussischen Delegation ein Friedensultimatum. Trotzki schlug auf Anweisung Lenins eine Verhandlungspause vom 18. bis zum 29. Januar 1918 vor, damit die Delegation sich mit ihrer Regierung beraten könne. Daran hatte auch die Delegation der Zentralrada ein Interesse, da sie auf ein formelles Mandat angewiesen war, um als Vertretung eines unabhängigen Staates einen Friedensvertrag unterzeichnen zu können.

In der Ukraine selbst spitzte sich die Lage zunehmend zu. In der Nacht vom 24. auf den 25. Januar 1918 brach in Kyjiw ein bewaffneter Aufstand aus, während die Truppen der bolschewistischen ukrainischen Regierung, mit Unterstützung der kampferprobtesten Einheiten aus Sowjetrussland, erfolgreich vom Osten her nach Kyjiw vordrangen; in dieser dramatischen Situation rief die Zentralrada in einer öffentlichen Sitzung das Vierte Universal aus. Es proklamierte die UNR als „eigenständigen, unabhängigen, freien, souveränen Staat des ukrainischen Volkes“ und beauftragte unter anderem den Rat der Volksminister (das ehemalige Generalsekretariat) damit, einen Frieden mit den Mittelmächten zu schließen. Die Unabhängigkeitserklärung war somit einerseits eine Reaktion auf die bolschewistische Aggression, andererseits ein wichtiger Schritt bei den Verhandlungen von Brest-Litowsk.

Die Verhandlungen wurden am 1. Februar 1918 wiederaufgenommen. Während der einwöchigen Pause hatte sich die Lage in der Ukraine grundlegend verändert. Die offiziell anerkannte Zentralrada besaß de facto keine Macht mehr, keine Armee und kein Territorium. Dennoch schickte sie erneut eine Delegation zu den Verhandlungen. Delegationsleiter war Oleksandr Sevrjuk, Mykola Ljubins’kyj wurde zu seinem Stellvertreter ernannt. Der Umstand, dass die Delegation keine konkreten Anweisungen zur Verhandlungsführung erhielt, zeigt, wie unsicher sich die Zentralrada fühlte. Die Autorität der ukrainischen Delegation in Brest-Litowsk litt auch unter dem Umstand, dass mit Juchym Medvedjev und Vasylij Šachraj zwei Delegierte der ukrainischen bolschewistischen Regierung, die in Charkiw durch das Allukrainische Zentrale Exekutivkomitee gegründet worden war, dorthin kamen. Der russische Vertreter Trotzki lehnte die Teilnahme einer eigenständigen Delegation der UNR ab und teilte mit, dass der größte Teil der Ukraine von der sowjetischen Regierung kontrolliert werde, daher könne ein von den Vertretern des Zentralrats ausgehandelter Friedensvertrag nicht als Frieden mit der UNR angesehen werden. Als Reaktion darauf machte Sevrjuk die Anwesenden mit dem Text des Universals vertraut und forderte die formelle Anerkennung der UNR als völlig eigenständigen und unabhängigen Staat. [7]

Der Konflikt wurde zugunsten der UNR-Delegation gelöst – in erster Linie, weil Österreich-Ungarn, von der Kriegslast und insbesondere der Versorgungskrise erschöpft, den Frieden nicht weniger dringend brauchte als die Ukraine. Am 9. Februar 1918 wurde zwischen der UNR-Delegation und dem deutsch-österreichischen Lager ein Friedensvertrag unterzeichnet. Dieser bestand aus zwei Texten – dem Hauptteil und einer Zusatzvereinbarung –, in denen das Ende des Krieges zwischen dem deutsch-österreichischen Lager und der UNR verkündet und die Gültigkeit der Grenzen von 1914 bekräftigt wurde. Beide Parteien lehnten Reparationszahlungen ab; die Entmilitarisierung der besetzten Gebiete war unmittelbar nach der Ratifizierung des Friedensvertrags vorgesehen, ferner wurden die wirtschaftlichen Beziehungen beider Parteien geregelt.

Die Unterzeichnung des Friedensvertrags von Brest war für die junge ukrainische Diplomatie ein Erfolg. Vergleicht man die Standpunkte der Zentralrada mit den Bedingungen der von ihr unterzeichneten Vereinbarung, so fällt diese insgesamt günstig aus. Das Abkommen enthielt eine geheime Zusatzvereinbarung. Der Delegation gelang es, das Chełmer Land sowie Podlachien, wo ukrainische Bevölkerung lebte, in das Territorium der UNR aufzunehmen, ferner war die Eingliederung des ukrainischen Teils von Ostgalizien in die Bukowina vorgesehen sowie die Schaffung eines neuen Kronlandes, welches innerhalb Österreich-Ungarns Autonomie genießen sollte.

Die Umsetzung des Friedensvertrags von Brest-Litowsk wurde durch den Umstand erschwert, dass die Zentralrada weder in der Lage war, mit dem Sowjetischen Rat der Volkskommissare eine Einigung zu erzielen noch starke Militäreinheiten zu bilden, die in der Lage gewesen wären, den Bolschewiki die Stirn zu bieten und die Ukraine zu verteidigen. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrags war die Zentralrada gezwungen, Kyjiw zu verlassen, und verlor die Kontrolle über einen großen Teil des vor kurzen als unabhängig proklamierten Staatsterritoriums. Während man innenpolitisch und in der östlichen Außenpolitik verloren hatte, konnte man in der westlichen Außenpolitik bedeutende Erfolge erzielen: Die Ukraine wurde als vollwertiges völkerrechtliches Subjekt anerkannt. Dafür war es jedoch unabdingbar, die Macht über das gesamte Staatsgebiet zurückzugewinnen. Da die eigenen Streitkräfte unbedeutend waren, bestand der einzige Ausweg darin, die neuen Verbündeten – allen voran Deutschland – um Hilfe zu bitten.

Die Frage der militärischen Unterstützung wurde vom Rat der Volksminister erörtert, und die ukrainischen Vertreter in Brest-Litowsk unterzeichneten Hilfsappelle an die Völker Österreich-Ungarns sowie Deutschlands. Dies erwies sich nicht als die beste Lösung. Während des Krieges war bei der Bevölkerung bereits ein Feindbild der Deutschen entstanden, daher sollte sich die Hilfe der deutschen Streitkräfte bei der Rückkehr der Zentralrada an die Macht negativ auswirken. Darüber hinaus begriffen die Führungspersönlichkeiten der Zentralrada sehr gut, dass Deutschland vor allem auf die Ausbeutung der Ressourcen ihres Landes abzielte. Aus diesen Gründen bestand die ukrainische Seite zunächst darauf, dass ihnen die Hilfe in Form derjenigen Truppenteile zu Gute kam, die sich aus ukrainischen Kriegsgefangenen zusammensetzten. Doch zu diesem Zeitpunkt passte dies der deutschen Seite überhaupt nicht. Da Sowjetrussland die Verhandlungen in Brest-Litowsk aussetzte, in den Westen vorrückte und große Teile des ukrainischen Territoriums eroberte, hielt Deutschland es für angebracht, Russland zur Unterzeichnung eines für das eigene Land vorteilhaften Friedensvertrags zu zwingen.

Am 8. Februar 1918 begannen deutsche Truppen mit dem Aufmarsch auf ukrainisches Territorium. Ab dem 14. Februar wurden sie dabei von Einheiten der österreichisch-ungarischen Armee unterstützt. Die Gesamtzahl der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen belief sich auf 450.000 Soldaten und Offiziere. Sie rückten systematisch in den Osten und Süden der Ukraine vor, ohne auf nennenswerten Widerstand sowjetischer Truppen zu stoßen. Ukrainische Militäreinheiten marschierten an der Spitze der deutschen Gefechtsformationen. Anfang März kehrte der Rat der Volksminister nach Kyjiw zurück, wenige Tage darauf die Zentralrada. Man begegnete ihnen reserviert. Bereits am 10. Februar unternahm der Rat der Volksminister den ersten Versuch, die Gründe für das Eintreffen ausländischer Truppen zu erläutern und betonte in seinen Appellen an die Bevölkerung, dass Aufgabe der Truppen die militärische Hilfe gegen die „Feinde der Ukrainischen Volksrepublik“ sei. [8]

Die Einschätzungen der Lage in der Ukraine fielen äußerst gegensätzlich aus. Waren die Reaktionen in Deutschland auf den Abschluss des Friedensvertrags von Brest-Litowsk mit der UNR überwiegend positiv, so stieß der Vertrag in den Ländern der Entente und Sowjetrussland auf Ablehnung. Das möglicherweise größte Problem war, dass die ukrainische Gesellschaft selbst in dieser Frage gespalten war. Die meisten Führungspersönlichkeiten der UNR sahen sich als Herren über die Lage und die deutsche Militärpräsenz wurde als technische Maßnahme gewertet, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Politik der UNR haben würde und mit deren Hilfe es gelungen war, die Bolschewiki loszuwerden. In den narrativen Quellen, die einige Jahre nach den geschilderten Ereignissen angefertigt wurden, finden wir hingegen eine gänzlich andere Bewertung der Ereignisse. [9] Doch bis dahin werden noch einige Jahre vergehen. Angesichts der militärischen Aggression Sowjetrusslands und der schwierigen wirtschaftlichen Lage zu Beginn des Jahres 1918 stellten die Unterzeichnung des Vertrags und der Appell der Zentralrada an die Mittelmächte um militärische Unterstützung die bestmögliche Lösung dar. Entsprechend wurde der Friedensvertrag auf einer Sitzung des Komitees des Zentralrats am 19. März unterzeichnet.

Bei der Bewertung der Bedeutung des Abkommens von Brest-Litowsk im Kontext der ukrainischen Staatlichkeit muss daher betont werden, dass es der Delegation der Zentralrada gelungen ist, einen aussichtsreichen und hochrangigen Friedensvertrag zu unterzeichnen, der den ukrainischen Staat auf die internationale Bühne führte, die friedliche Politik der ukrainischen Machthaber demonstrierte und weitere Perspektiven für eine fruchtbare Zusammenarbeit eröffnete. Dabei wurde die Umsetzung des Abkommens durch innen- und außenpolitische Umstände erschwert.

Aus dem Ukrainischen von Johann Zajaczkowski

[1] Sofern nicht anders vermerkt, handelt es sich hier und im Folgenden um eigene Übersetzungen des ukrainischen Originaltitels (Anm. d. Übers.)

[2] Vladyslav Verstjuk: Ljutneva Revoljucija. Ukrajins’ka Central’na Rada. Brest, in: Narysy Istoriji Ukrajins’koji Revoljuciji 1917 – 1921 Rokiv, Bd. 2, Kyjiw 2012. S. 237.

[3] Ukrajins’ka Central’na Rada: Dokumenty i Materialy. Bd. 2: 10. Dezember 1917 – 29. April 1918; NAN Ukrajiny. Instytut Istoriji Ukrajiny, Kyjiw 1997, S. 12.

[4] Polina Barvins’ka: Istoryčni Dokumenty – Šljach do Piznannja Istyny, in: Vistnyk Ukrajins’koho Tovarystva Ochorony Pamjatok Istoriji ta Kul‘tury, 1/5 (2000), S. 29.

[5]Dmytro Dorošenko: Istorija Ukrajiny 1917-1923. Bd. 1: Doba Central’noji Rady. New York 1954, S. 296.

[6]Volodymyr Holovčenko, Valerij Soldatenko: Ukrajins’ke Pytannja v Roky Peršoji Svitovoji Vijny. Kyjiw 2009, S. 178.

[7] Ivan Kedryn: Berestejs’kyj Myr (z Nahody 10-ch Rokovyn): Spomyny i Materialy. Lwiw 1928, S. 156.

[8] Ukrajins’ka Central’na Rada, S. 160.

[9] Volodymyr Vynnyčenko: Vidrodžennja Naciji. Bd. 2: Istorija Ukr. Revoljuciji. Wien 1920, S. 328.

Quellen