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Das Deutsche Reich und Versuche der ukrainischen Staatsbildung in der Zeit des Zweiten Weltkriegs

von Kai Struve

Die Zusammenarbeit verschiedener ukrainischer Organisationen mit dem Deutschen Reich von den 1920er bis zu den 1940er Jahren gehört zu den hoch umstrittenen Fragen der ukrainischen Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Gründe dafür liegen nicht zuletzt darin, dass diese Zusammenarbeit in der sowjetischen Propaganda dafür benutzt wurde, um ukrainische politische Akteure, die die staatliche Selbstständigkeit anstrebten, als „faschistisch“ zu diskreditieren. Das zentrale Motiv auf der ukrainischen Seite war allerdings die immer wieder enttäuschte Erwartung, mit deutscher Unterstützung einen ukrainischen Staat gründen zu können. Zwar gewannen radikalnationalistische Ansichten, die als faschistisch charakterisiert werden können, wie in Europa in den 1930er Jahren insgesamt, auch unter den Ukrainern außerhalb der Sowjetunion wachsenden Einfluss. Anders als sowjetische Deutungen suggerierten und auch manche Veröffentlichungen in westlichen Ländern vermuteten, war in den 1930er und 1940er Jahren auf der ukrainischen Seite jedoch nicht eine geteilte faschistische Weltanschauung das Motiv der Zusammenarbeit mit dem von Hitler regierten Deutschland, sondern das Ziel der Staatsgründung.

Nach dem Scheitern der ukrainischen Staatsbildungsversuche nach dem Ersten Weltkrieg wurde Berlin zu einem der Zentren der ukrainischen Emigration. Hier ließen sich u.a. der frühere Hetman Pavlo Skoropads’kyj nieder. Deutsche Regierungsstellen standen aber auch mit Vertretern anderer politischer Richtungen in Verbindung. Dazu gehörte, dass die Reichswehr spätestens seit 1923 die Ukraïns’ka Vijs’kova Orhanizacija (UVO, Ukrainische Militärorganisation) unterstützte, die unter der Führung von Jevhen Konovalec‘ in Polen entstanden war und hier den bewaffneten Kampf für einen ukrainischen Staat im Untergrund fortsetzte. Die UVO lieferte nachrichtendienstliche Informationen aus Polen und wurde dafür von der „Abwehr“, dem Nachrichtendienst der Reichswehr, finanziell und durch militärische Ausbildungen unterstützt. Von deutscher Seite war dies Teil einer Politik, die auf eine Schwächung Polens und eine Grenzrevision abzielte.  1928 gab es allerdings eine Unterbrechung der Zusammenarbeit, als der Reichswehrminister Wilhelm Groener nurmehr die Skoropads’kyj-Anhänger unterstützte. 1929 entstand aus der UVO die Orhanizacija Ukraïns’kych Nacjonalistiv (OUN, Organisation ukrainischer Nationalisten). Die Reichswehr nahm die Zusammenarbeit erst 1932 wieder auf. Einige Monate nach der Machtübernahme Hitlers wurde sie gegen Ende 1933 jedoch erneut beendet, da Hitler eine Verständigung mit Polen anstrebte, die schließlich im Januar 1934 zum Abschluss des deutsch-polnischen Nichtangriffsvertrags führte. [1]

Zu einer konkreten Zusammenarbeit kam es dann erst wieder bei der von Deutschland betriebenen Auflösung der Tschechoslowakei im Herbst 1938. Die deutsche Seite förderte Ablösungsbestrebungen in der Karpatenukraine und bezog darin auch die OUN ein. Sie und andere ukrainische Gruppierungen hofften, die Karpatenukraine mit deutscher Hilfe zum Ausgangspunkt einer ukrainischen Staatsbildung zu machen. Nachdem sich die Karpatenukraine nach dem Vorbild der Slowakei am 11. Oktober 1938 für autonom erklärt hatte, gewann vor allem die OUN unter den verschiedenen ukrainischen politischen Akteuren des Exils hier realen politischen Einfluss und organisierte den Aufbau der kleinen improvisierten Armee der Karpatenukraine, der Karpats’ka Sič.

Die Hoffnungen auf die Gründung eines ukrainischen Staates wurden jedoch rasch enttäuscht. Bereits Anfang November 1938 besetzte Ungarn die südwestlichen Teile der Karpatenukraine, die Deutschland und Italien Ungarn im sogenannten „Ersten Wiener Schiedsspruchs“ zuerkannt hatten. Gleichzeitig mit der deutschen Besetzung Tschechiens am 15. März 1939 und der Verselbstständigung der Slowakei überließ Deutschland auch die weiteren Gebiete der Karpatenukraine Ungarn, das sie in den folgenden Tagen gegen den bewaffneten Widerstand der Karpats’ka Sič besetzte. [2]

Allerdings begann auf deutscher Seite im gleichen Zeitraum die Vorbereitung für den Angriff auf Polen. Die Abwehr bezog radikale Teile der deutschen und ukrainischen Minderheit in die Vorbereitungen ein. Erneut war das Ziel auf ukrainischer Seite, mit deutscher Hilfe einen ukrainischen Staat zu gründen, diesmal in den mehrheitlich ukrainischen Gebieten Polens. Die Abwehr unterstützte die Vorbereitung eines bewaffneten Aufstands im Südosten des polnischen Staates und plante zusammen mit der OUN Sabotageakte. Zur Vorbereitung des Angriffs gehörte aber auch, dass mit Hilfe der OUN eine kleine ukrainische Einheit unter dem Codenamen „Bergbauernhilfe“ aufgebaut wurde, die mit den deutschen Truppen von der Slowakei aus in die südlichen Gebiete Polens vorrücken sollte.

Einer möglichen ukrainischen Staatsgründung wurde dann allerdings durch den am 23. August 1939 abgeschlossenen Hitler-Stalin-Pakt ein zweites Mal der Boden entzogen. Danach brachen die Abwehr und die OUN die Aufstandsvorbereitungen ab. Gleichwohl kam es im September 1939 an einigen Orten und Regionen zu Angriffen der OUN-Kampfgruppen auf polnische Militäreinheiten und auf polnische Siedler, die sich hier nach dem Ersten Weltkrieg mit Unterstützung der polnischen Regierung niedergelassen hatten. [3]

Der Einmarsch der sowjetischen Armee ins östliche Polen am 17. September 1939 und der Anschluss Ostgaliziens und Wolhyniens an die Ukrainische Sowjetrepublik waren aus nationalukrainischer Sicht eine Katastrophe, da damit auch dieses Gebiet dem Staat überlassen wurde, der jegliche ukrainische Unabhängigkeitsbestrebungen brutal unterdrückte. Mehrere zehntausend Ukrainer flohen in den Wochen nach dem 17. September aus den nun sowjetischen Gebieten ins deutsch besetzte Generalgouvernement. Auch die ukrainische Bevölkerung blieb nicht von umfangreichen Verhaftungen und Deportationen verschont. Jedoch ging mit dem Anschluss an die Ukrainische Sowjetrepublik auch eine starke sprachliche Ukrainisierung der Öffentlichkeit, der Kultur und des Bildungswesens einher. [4]

Trotz des Scheiterns der ukrainischen Staatsbildungspläne im September 1939, da Deutschland die Unterstützung der Ukrainer erneut zugunsten einer wichtigeren Macht zurückgezogen hatte, unterstützten die wesentlichen ukrainischen Gruppierungen im Exil und im Generalgouvernement den deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941. Wie zuvor beruhte dies auf der Erwartung, mit deutscher Hilfe einen ukrainischen Staat gründen zu können. Konkret war erneut in erster Linie die OUN an den Kriegsvorbereitungen beteiligt.

In der OUN hatte jedoch im Jahr 1940 eine von Stepan Bandera geführte Gruppe der bisherigen Führung unter Andrij Mel’nyk die Gefolgschaft aufgekündigt. Die Abwehr versuchte die Spaltung zu verhindern, da sie der Bandera-Gruppe misstraute. Anfang 1941 nahm die Abwehr aber auch eine Zusammenarbeit mit ihr auf, da sich ihr ein großer Teil der Organisation im Generalgouvernement und vor allem die in den sowjetischen Gebieten in Ostgalizien und Wolhynien existierenden Untergrundstrukturen angeschlossen hatten. Nur die Bandera-OUN verfügte damit über die Möglichkeit, Informationen aus den sowjetischen Gebieten zu beschaffen und einen Aufstand vorzubereiten, der, ähnlich wie 1939 beim Krieg gegen Polen, den deutschen Angriff unterstützen sollte. In Zusammenarbeit mit der Bandera-OUN stellte die Abwehr ebenfalls erneut kleine ukrainische Einheiten auf, diesmal unter den Codenamen „Nachtigall“ und „Roland“, die am Angriff teilnehmen sollten.

Mit dem deutschen Angriff am 22. Juni 1941 begannen auch Aktionen von Kampfgruppen der OUN-B gegen sowjetische Truppen, die Unsicherheit und Verwirrung verbreiteten. Das zentrale Ziel der OUN-B war die lokale Machtübernahme in den Orten, die von sowjetischen Truppen geräumt worden waren, möglichst noch vor dem Eintreffen deutscher Einheiten. Diese sollten hier als verbündete Truppen auf ukrainischem Territorium begrüßt werden. In den meisten Orten Galiziens und vielen Orten in Wolhynien entstanden aus den Kampfgruppen der Bandera-OUN lokale Milizen. Außerdem initiierte sie die Bildung neuer lokaler Verwaltungen im Übergang von der sowjetischen zur deutschen Herrschaft. [5]

Unmittelbar nach der Besetzung der westukrainischen Metropole Lemberg durch deutsche Truppen am 30. Juni 1941 erklärte Jaroslav Stec’ko, der Stellvertreter Stepan Banderas, die Gründung eines ukrainischen Staates und die Schaffung einer ukrainischen Regierung unter seiner Führung. Dies geschah ohne vorherige Absprache und gegen den Willen der Wehrmacht oder anderer deutscher Stellen. Obwohl Stec’ko erklärte, dass der ukrainische Staat „eng mit dem nationalsozialistischen Großdeutschland“ zusammenwirken, den Krieg unterstützen und die deutsche Hegemonie anerkennen werde, verlangte die deutsche Seite, die Staatsgründung zurückzunehmen und die Regierung aufzulösen. Als Bandera, der in Krakau geblieben war, und Stec’ko dies verweigerten, wurden sie am 5. bzw. 9. Juli festgenommen und nach Berlin gebracht. In den folgenden Wochen versuchten sie und auch die OUN in den neu besetzten Gebieten, die Deutschen weiterhin davon zu überzeugen, die Staatsgründung anzuerkennen, allerdings ohne Erfolg. Im September 1941 wurden Bandera und Stec’ko verhaftet und später bis zum Herbst 1944 in einem Sonderbereich des KZ Sachsenhausen bei Berlin festgehalten. [6]

Auf einer Besprechung am 16. Juli 1941 hatte Hitler alle Pläne für die Schaffung eines ukrainischen Staates, die in der engeren NS-Führung vor allem von Alfred Rosenberg, dem designierten Minister für die besetzten Ostgebiete, vertreten worden waren, verworfen. Die besetzten sowjetischen Gebiete sollten unter direkter deutscher Herrschaft bleiben und einem Regime brutaler Unterdrückung, Ausbeutung und teilweisen Germanisierung unterworfen werden. Außerdem entschied Hitler, dass das früher österreichische Ostgalizien von den übrigen ukrainischen Territorien getrennt und als „Distrikt Galizien“ zum 1. August 1941 dem Generalgouvernement angeschlossen werden sollte. Damit waren die ukrainischen Staatsbildungspläne erneut gescheitert. [7]

Teil des lokalen Herrschaftswechsels in der Westukraine Ende Juni und Anfang Juli 1941 waren Abrechnungen der örtlichen Milizen und neuen Machtorgane mit denjenigen, die sie für Unterstützer der Sowjets und für Verräter hielten. Ein Teil der Gewalt gegen Juden im Übergang von der sowjetischen zur deutschen Herrschaft, die meist als Pogrome beschrieben werden, bestand in solchen gezielten Morden durch Kampfgruppen oder Milizen der Bandera-OUN, da auch in ihren Reihen eine stereotype Gleichsetzung von Juden mit Unterstützern der sowjetischen Herrschaft verbreitet war. Solchen Gewalttaten fielen in Galizien und Wolhynien aber auch Ukrainer und Polen zum Opfer, die die Funktionen in sowjetischen Institutionen gehabt hatten oder im Verdacht standen, mit den sowjetischen Sicherheitsorganen zusammengearbeitet zu haben. Dies betraf vorwiegend kleinere Ortschaften, in denen deutsche Truppen nicht präsent waren. An anderen Orten, in denen deutsche Polizeikräfte aktiv wurden, unterstützten die von der OUN gegründeten Milizen und die neuen lokalen Verwaltungen Verhaftungen vermeintlicher oder tatsächlicher Unterstützer der sowjetischen Herrschaft, die dann von der deutschen Sicherheitspolizei erschossen wurden. Auch hier handelte es sich zum weitaus größten Teil um Juden. In einer Reihe größerer Orte, insbesondere in Lemberg, waren die Milizen auch an von den deutschen Polizeikräften geförderten, pogromartigen Ausschreitungen beteiligt, die im Zusammenhang mit der Bergung der Leichen von Gefängnisinsassen standen, die in den westukrainischen Gebieten von den Sowjets in großer Zahl in den Tagen nach dem 22. Juni vor dem Eintreffen deutscher Truppen ermordet worden waren. [8]

Nach dem Abbruch der Zusammenarbeit mit der Bandera-OUN im Juli 1941 wollten die Deutschen ihren Einfluss zurückdrängen und verhindern, dass sie jenseits der früheren polnisch-sowjetischen Grenze aktiv wurden. Da beide Flügel der OUN über keine organisierte Basis in diesen sowjetischen Gebieten verfügten, stellten sie sogenannte „Marschgruppen“ auf, die sich aus dem Generalgouvernement und der Westukraine dorthin begeben und am Aufbau eines ukrainischen Staates arbeiten sollten. Allerdings untersagte die deutsche Seite der Bandera-OUN, ihre Leute dorthin zu schicken. Seit September 1941 fanden umfangreiche Verhaftungen von Angehörigen der OUN-B verhaftet. Viele wurden dauerhaft in Konzentrationslagern inhaftiert, vor allem in Auschwitz. Ende November 1941 erging im „Reichskommissariat Ukraine“ ein Befehl an die Sicherheitspolizei, dass festgenommene Mitglieder der Bandera-OUN grundsätzlich zu erschießen seien. [9]

Dagegen förderten die proukrainischen Kräfte auf deutscher Seite, insbesondere um Hauptmann Hans Koch im Stab der Heeresgruppe Süd und Alfred Bisanz in der Regierung des Generalgouvernements, weiterhin die Mel’nyk-OUN. Mel’nyk-Anhänger besetzten in manchen Fällen Positionen in der ukrainischen Polizei und Verwaltung, aus denen Bandera-Anhänger im Distrikt Galizien verdrängt worden waren. Vor allem aber konnten sie zunächst weitgehend ungehindert oder gar durch die Wehrmacht gefördert, in den neu besetzten Gebieten beim Aufbau der lokalen Verwaltung tätig werden. Insbesondere in Kiew spielten Mel’nyk-Anhänger nach der deutschen Besetzung der Stadt eine zentrale Rolle in der Stadtverwaltung. Auch sie arbeiteten hier und an anderen Orten weiter daran, eine institutionelle Grundlage für einen ukrainischen Staat zu schaffen. Sie gingen zwar vorsichtiger vor als die Bandera-Anhänger im Sommer in der Westukraine. Nichtsdestotrotz deutete die deutsche Sicherheitspolizei diese Aktivitäten bald als gegen die deutsche Herrschaft gerichtete Tätigkeit und begann im November 1941, auch Angehörige der Mel’nyk-Gruppe festzunehmen und in manchen Fällen auch zu erschießen, darunter im Februar 1942 den bisherigen Bürgermeister von Kiew Volodymyr Bahazij. [10]

Trotz dieser Verfolgung von deutscher Seite dauerte es noch mehr als ein Jahr, bis aus dem anfänglichen Bündnis ein aktiver Kampf der ukrainischen Nationalisten gegen die deutsche Herrschaft wurde. Erst im März 1943 begannen Kampfeinheiten der Bandera-OUN, die sich seit Herbst 1942 in Waldgebieten Wolhyniens unter dem Namen Ukraïns’ka Povstans’ka Armija (UPA, Ukrainische Aufstandsarmee) gebildet hatten, den aktiven Kampf gegen die deutschen Okkupanten in größerem Umfang, der in den folgenden Monaten mit hohen Opfern auf beiden Seiten geführt wurde. In der gleichen Zeit ordneten sich die von der Bandera-OUN geführten Partisanen weitere Einheiten unter, die sich parallel unter der Führung von Mel’nyk-Anhängern gebildet hatten oder hier schon seit 1941 unter der Führung von Taras Borovec‘ („Taras Bul’ba“) bestanden. Wenig später setzten Massenmorde von UPA-Einheiten an der polnischen Bevölkerung in Wolhynien ein, die auf die Sicherung der ukrainischen Vorherrschaft in diesen Territorien durch ihre „Säuberung“ von der polnischen Bevölkerung zielten. 1944 weitete sich dies auch auf Galizien aus. Den Morden fielen wohl mindestens 60.000 Polen zum Opfer. Die Zahl der Ukrainer, die bei polnischen Gegenaktionen getötet wurden, wird auf bis zu 20.000 geschätzt. [11] In der ersten Jahreshälfte 1944 kam es dann angesichts der Annäherung der Roten Armee und von Aktivitäten sowjetischer Partisanen wieder zu Verhandlungen und einer punktuellen Zusammenarbeit zwischen UPA-Einheiten und deutschen Truppen. [12]

Anders als im Reichskommissariat Ukraine gab es im Generalgouvernement trotz Verhaftungen von Bandera-Anhängern keine vergleichbare Verfolgung der ukrainischen Nationalisten. Hier wirkte der bereits 1939/40 gegründete „Ukrainische Hauptausschuss“ (Ukraïns’kyj Central’nyj Komitet) unter Volodymyr Kubijovyč weiterhin als legale Interessensvertretung. Kubijovyč und andere bemühten sich hier weiter, die ablehnende deutsche Haltung gegenüber der ukrainischen Staatsbildung zu ändern. Als ein wesentliches Element dafür galten ukrainische Militäreinheiten. Daraus ging im Frühjahr 1943 nach Zustimmung Himmlers und Hitlers die Gründung der Waffen-SS Division „Galizien“ hervor. Sie genoss eine gewisse Unterstützung von Seiten der Mel’nyk-OUN, wurde jedoch von der Bandera-Gruppe abgelehnt. [13]

Erst im Herbst 1944, als sich bereits keine ukrainischen Territorien mehr unter deutscher Herrschaft befanden, machte die deutsche Seite mit der Gründung eines „Ukrainischen Nationalkomitees“ Zugeständnisse gegenüber den ukrainischen nationalen Zielen, was nun aber angesichts der absehbaren Niederlage bedeutungslos geworden war. Erst im März 1945, als der Vorstoß der sowjetischen Armee auf Berlin bevorstand, folgte schließlich noch die Gründung einer „Ukrainischen Nationalarmee“, in die auch die Waffen-SS Division „Galizien“ aufging. [14]

[1] Umfassend zu den deutsch-ukrainischen Beziehungen in den 1920er und 1930er Jahren Frank Golczewski: Deutsche und Ukrainer 1914-1939, Paderborn 2010.

[2] Golczewski: Deutsche und Ukrainer, S. 809-920.

[3] Ebd., S. 992-1016; Kai Struve: Deutsche Herrschaft, ukrainischer Nationalismus, antijüdische Gewalt. Der Sommer 1941 in der Westukraine, Berlin 2015, S. 95-117; Andrij Rukkas: Antypol’s’ki zbrojni vystupy OUN na zachidnoukraïnskych zemljach (veresen‘ 1939 r.), in: Sprawy Wschodnie (2002), Nr. 1, S. 37-60.

[4] Vladyslav Hrynevyč: Nepryborkane riznoholossja. Druha svitova vijna i suspil’no-polityčnij nastroï v Ukraïni, 1939 – červen‘ 1941 rr., Kyïv-Dnipropetrovs‘k 2012, S. 208-301; Christoph Mick: Kriegserfahrungen in einer multiethnischen Stadt: Lemberg 1914-1947, Wiesbaden 2010, S. 419-467.

[5] Struve: Deutsche Herrschaft, S. 172-214; Ivan Patryljak: Vijs’kova dijal’nist‘ OUN(B) u 1940-1942 rokach, Kyïv 2004.

[6] Volodymyr Kosyk: Ukraïna i Nimeččyna u druhij svitovij vijni, Paryž-N’ju Jork-L`viv 1993 (zuerst frz. Paris 1986), S. 112-120; Orest Dzjuban (Hg.): Ukraïns’ke deržavotvorennja. Akt 30 červnja 1941. Zbirnyk dokumentiv i materialiv, Kyïv 2001; Frank Grelka: Die ukrainische Nationalbewegung unter deutscher Besatzungsherrschaft 1918 und 1941/42, Wiesbaden 2005, S. 251-276.

[7] Vgl. hierzu Quelle 3.

[8] Hierzu ausführlich Struve: Deutsche Herrschaft, S. 304-667.

[9] Vgl. dazu Quelle 4.

[10] John A. Armstrong: Ukrainian Nationalism, New York 1963 (2. Aufl.), S. 101-118. Dazu auch Quelle 5.

[11] Vgl. zu diesen bis heute ausgesprochen kontroversen Geschehnissen vor allem Grzegorz Motyka: Ukraińska partyzantka 1942-1960. Działalność Organizacji Ukraińskich Nacjonalistów i Ukraińskiej Powstańczej Armii, Warszawa 2015, S. 187-413; Ivan Patryljak: „Vstan’ i borys’! Sluchaj i vir …” Ukraïns’ke nacionalistyčne pidpillja ta povstans’kyj ruch 1939-1960, L’viv 2012, S. 284-426.

[12] Franziska Bruder: „Den ukrainischen Staat erkämpfen oder sterben!“ Die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), 1929-1948, Berlin 2007, S. 195-201.

[13] Taras Hunczak: On the Horns of a Dilemma: The Story of the Ukrainian Division Halychyna, Lanham, Md, 2000. Kritisch dagegen Per Anders Rudling: “They Defended Ukraine”: The 14. Waffen-Grenadier-Division der SS (Galizische Nr. 1) Revisited, in: Journal of Slavic Military Studies 25 (2012), S. 329-368.

[14] Vgl. zu den verschiedenen ukrainischen militärischen Formationen in deutschen Diensten auch Andrij Bol’janovs’kyj: Ukraïns’ki vijs’kovi formuvannja v zbrojnych sylach Nimeččyny (1939-1945), L’viv 2003.

Quellen