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Der Holocaust in der Ukraine 1941-1944

von Ihor Ščupak und Jehor Vradij

Der Begriff Holocaust bezeichnet den während des Zweiten Weltkriegs von den Nazis und ihren Verbündeten begangenen Völkermord an den Juden Europas, dem fast sechs Millionen Menschen zum Opfer fielen. Zu den ersten Manifestationen der deutschen Judenverfolgung auf dem Territorium der heutigen Ukraine zählt die Ermordung von mehreren Dutzend Juden in der Westukraine (hauptsächlich in der Umgebung der Stadt Sambir), die nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 kurzzeitig unter die Kontrolle der Wehrmacht geriet.

Die umfassende Verfolgung der ukrainischen Juden begann nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 ein. Sie wies allerdings deutliche Unterschiede in den verschiedenen Teilen der Ukraine auf, die sich zwischen 1941 und 1944 unter Wehrmachtsverwaltung, unter der deutschen Zivilverwaltung, der rumänischen und der ungarischen Okkupation befanden. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass das Vorgehen der Deutschen sich im Laufe der Zeit veränderte: Wurden im Juni/Juli 1941 hauptsächlich erwachsene jüdische Männer ermordet, befanden sich ab August zunehmend auch Frauen und Kinder unter den Opfern der Erschießungsaktionen. Ende September 1941 war bereits offensichtlich, dass das Ziel der Nazis in der Ermordung der gesamten jüdischen Bevölkerung bestand.

Die Einsatzgruppen, am Vorabend des Zweiten Weltkrieges als Einheiten der Sicherheitspolizei und des SD [Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS] gebildet worden waren, waren das eigens zu diesem Zweck geschaffenen Instrument, um den Völkermord an den Juden zu realisieren. Hinzu kamen Bataillone der Ordnungspolizei unter dem Befehl des Höheren SS- und Polizeiführers (HSSPF) Russland-Süd, die ebenfalls für eine große Zahl von Massenmorden verantwortlich waren. Die Aufgabe dieser Einheiten war die Ausrottung von Juden, Roma, Kommunisten und anderen „unerwünschten Elementen“.

Die ukrainischen Gebiete wurden von den Nazis und ihren Verbündeten in mehrere Besatzungszonen aufgeteilt: der Distrikt Galizien (die heutigen Oblaste Icano-Frankivs‘k, Lviv (Lemberg) sowie ein Teil der Oblast Ternopil‘); das Reichskommissariat Ukraine (die heutigen Oblaste Wolhynien, Dnipropetrovs‘k, Žytomyr, Zaporižžja, Kyjiv, Kirovohrad, Poltava, Rivne, Chmel’nyc‘kyj, die Autonome Republik Krim [1], Teile der Oblaste Vinnyc‘ja, Mykolajiv, Odessa und Ternopil‘ sowie einige Gebiete im Süden des heutigen Belarus); das Gouvernement Transnistrien unter rumänischer Kontrolle (ein Teil der heutigen Oblaste Vinnyc‘ja, Mykolajiv und Odessa sowie der östliche Teil der heutigen Republik Moldau); das Gebiet unter Wehrmachtsverwaltung (die heutigen Oblaste Donec‘k, Luhans‘k, Sumy, Charkiv und Černihiv). Einige Gebiete wurden den Satellitenstaaten Nazi-Deutschlands zugeschlagen. Die Oblast Czernowitz und ein Teil der Oblast Odessa wurden Rumänien, die Oblast Transkarpatien Ungarn angeschlossen.

In der Westukraine kam es in den ersten Tagen der deutschen Okkupation zu einer Reihe von Pogromen und anderen Gewalttaten an den Juden, an denen Teile der Lokalbevölkerung beteiligt waren und die teilweise von deutscher Seite provoziert wurden [2]. Schätzungen von Forschern zufolge fielen allein in Galizien bis Mitte Juli 1941 zwischen 7.300 und 11.300 Juden solcher von den Deutschen und der lokalen Bevölkerung ausgehenden Gewalttaten zum Opfer. [3]

Die jüdische Bevölkerung in diesen Gebieten wurde nicht sofort vernichtet. In Orten mit einem bedeutenden Anteil von Juden an der Bevölkerung richteten die Besatzer Ghettos ein. Neben den Ghettos wurden zum Zwecke der wirtschaftlichen Ausbeutung im Vorfeld der physischen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Arbeitslager, sogenannte „Judenlager“, geschaffen.

Fast die Hälfte aller Juden im Distrikt Galizien starb bei Massenerschießungen, in den Ghettos oder in den Arbeitslagern. Im Vernichtungslager Bełżec (auf dem Gebiet des heutigen Polen) wurden fast 200.000 Juden aus Ostgalizien ermordet. Außer in Galizien wurden auch in Wolhynien, Podolien, Transkarpatien und teilweise auch in der rechtsufrigen Ukraine Ghettos errichtet.

Im Reichskommissariat Ukraine und in den Gebieten unter Wehrmachtsverwaltung fand der Massenmord an den Juden durch Massenerschießungen statt. Hier stellt die Tragödie von Babyn Jar in Kyjiw das bekannteste Verbrechen dar. Dort begannen die deutschen Besatzer am 27./28. September 1941 mit der Erschießung von Juden, sowjetischen Kriegsgefangenen sowie Patienten einer psychiatrischen Klinik. NS-Dokumenten zufolge ermordeten die Einheiten der Einsatzgruppe C sowie der Ordnungspolizei, die dem HSSPF Russland-Süd, Friedrich Jeckeln, unterstellt war, am 29. September 22.000 Juden und 12.000 weitere am folgenden Tag. [4]

Fast jede ukrainische Stadt und Kleinstadt hatte ihr eigenes „Babyn Jar“. Forscher vermuten, dass es insgesamt mehr als 5.000 Orte von Massenerschießungen auf dem Gebiet der Ukraine gab. Zu den Orten größerer Massenerschießungen gehörten die Schlucht der Roten Aufständischen im botanischen Garten von Dnipro(petrovs‘k), der Wald von P“jatyčany bei Vinnycja und die Drobyc‘kyj-Schlucht in Charkiv. In Stalino (dem heutigen Donec‘k) und anderen Orten kamen „Gaswagen“, auf Lastkraftwagen aufgesetzte Gaskammern, zum Einsatz. In Krasnodon (dem heutigen Sorokyne) wurden Juden und „Parteiaktivisten“ zusammengetrieben und erschossen, ihre Leichen wurden in einen Minenschacht geworfen. In Vorošylovhrad (heute Luhans‘k) wurden erwachsene Juden außerhalb der Stadt erschossen und die Kinder vergiftet. [5]

Auch im Gouvernement Transnistrien, dem rumänischen Besatzungsgebiet, fanden Massenerschießungen von Juden statt. Eines der größten Verbrechen wurde in dem Dorf Bohdanivka verübt. Juden aus Odessa und Moldawien waren im Ghetto von Bohdanivka zusammengetrieben worden. Sie mussten in ehemaligen Schweineställen hausen; viele starben im strengen Winter 1941/42. Die Übrigen wurden zwischen dem 21. Dezember 1941 und dem 15. Februar 1942 ermordet. Insgesamt wurden dort beinahe 54.000 Menschen erschossen und verbrannt. [6]

In der ersten Julihälfte des Jahres 1941 begannen die rumänischen Machthaber mit der Konzentration der jüdischen Bevölkerung aus der Nordbukowina (heute größtenteils in der Oblast Czernowitz). Zwischen 1941 und 1942 wurden in drei Wellen etwa 75.000 Juden aus der Nordbukowina nach Transnistrien deportiert und unter entsetzlichen Lebensbedingungen in Ghettos gepfercht. Die Gefährdung der wirtschaftlichen Stabilität in dieser Region zwang die rumänische Führung dazu, Juden mit bestimmten Berufen den Verbleib in Czernowitz zu gestatten, die dann hier zur Zwangsarbeit herangezogen wurden. Letztlich rettete dies aber das Leben von fast 16.000 Juden. [7]

Mit der Annexion von Transkarpatien durch Ungarn, einem Verbündeten Hitlerdeutschlands, begann die Verfolgung der dortigen jüdischen Bevölkerung. Nach Ansicht der Forscher manifestierte sich der Antisemitismus ungarischer Provenienz in einer zunehmenden Einschränkung der Rechte von Juden, doch er sah keine physische Vernichtung vor, wie sie die in den deutsch besetzten Gebieten Europas stattfand. [8] Die Deportation staatenloser Juden aus Ungarn in die ostgalizischen Gebiete im Juli 1941 hatte jedoch tragische Folgen. Ende August 1941 wurden die meisten von ihnen Opfer einer Massenerschießung in Kam“janec‘Podil’s’kyj durch Einheiten unter dem Kommando des HSSPF Russland-Süd, Friedrich Jeckeln. Die Gesamtzahl der Opfer dieses Massenmords überstieg 23.000 Personen. Nach der Besetzung Ungarns durch deutsche Truppen im März 1944 begannen Massendeportationen der ungarischen Juden in Vernichtungslager, vor allem nach Auschwitz-Birkenau. Von den mehr als 100.000 transkarpatischen Juden überlebten nur 10.000 bis 15.000 den Holocaust.

Somit hatte der Holocaust in den jeweiligen administrativ-territorialen Einheiten, in die die Ukraine unterteilt war, einen unterschiedlichen Verlauf. Doch der Völkermord an der jüdischen Bevölkerung der Ukraine wies auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf:

Die Praxis der Massenvernichtung zwang die Juden zu passiven oder aktiven Formen des Widerstandes. Verbreitete Formen des passiven Widerstands waren die Nichtanerkennung der Besatzungsordnung, die Weigerung, den Befehlen der Nazis Folge zu leisten, die Flucht vor den Henkern, die Zurschaustellung des eigenen Judentums und sogar Massenselbstmorde.

Eine der häufigen Formen des passiven Widerstandes war die Flucht. Aus der Zentral- und Ostukraine flohen viele Juden, noch bevor irgendeine Besatzungsbehörde sie als Juden registrieren konnte.

In vielen Fällen blieb Juden die Aufnahme in die Reihen der Partisanen verwehrt. Dies galt für die UPA [Ukraïns’ka Povstans’ka Armija, Ukrainische Aufständische Armee], die polnische AK [Armia Krajowa; Heimatarmee], die sowjetischen Partisanen und weiteren Widerstandsorganisationen. Dieser Umstand lässt sich zurückführen auf einen manifesten Antisemitismus, auf entsprechende Befehle der Kommandoebene der jeweiligen Partisanenbewegung und auf den Unwillen der Partisanen, die Verantwortung für ältere Menschen, Frauen und Kindern zu übernehmen, die sich gemeinsam mit den jüdischen Männern retten wollten.

Auch die Ghetto-Bewohner leisteten offenen Widerstand. Im Sommer 1942 operierten alleine in den Ghettos in Westwolhynien 18 jüdische Kampfgruppen. Bewaffnete jüdische Aufstände fanden 1942 in den Ghettos von Misoč, Kremenec‘ und Tučyn und 1943 in den Ghettos von Lemberg, Brody und Stryj statt. Am besten vorbereitet und wirkungsvollsten war der bewaffnete Aufstand der Juden im Ghetto von Tučyn (Oblast Rivne). Ein eindrucksvolles Beispiel für den Widerstand von Ghetto-Insassen war auch der Aufstand in Luc‘k. 1942 leisteten Juden bewaffneten Widerstand auch in den ukrainischen Städten Borščiv, Dubno, Dubrovycja, Kovel‘ und Rohatyn. Die Aufstände wurden brutal niedergeschlagen, doch einigen Insassen gelang die Flucht.

Auf den ukrainischen Gebieten waren jüdische Partisaneneinheiten erfolgreich unter dem Kommando von Linder, Misjura, Gildenman, Koniščuk, Abuhiv und weiteren aktiv. Die Kämpfer dieser Einheiten waren größtenteils aus den Ghettos und, in geringerer Zahl, aus den Lagern geflohen.

Das Problem der Haltung der lokalen Bevölkerung zum Massenmord an den Juden verdient eine genauere Betrachtung. Die Bevölkerung in den ukrainischen Gebieten kann entsprechend ihrer Einstellung gegenüber dem Holocaust in drei Gruppen unterteilt werden:

Die Gründe dafür, dass viele sich passiv verhielten, als ihre Nachbarn ermordet wurden, waren vielfältiger Natur. Dazu gehörten eine gleichgültige Lebenseinstellung, Sorge um das eigene Leben, die Hoffnung auf materiellen Gewinn zulasten des Eigentums der Opfer und weitere Gründe. Die passive Haltung gegenüber der Gewalt könnte auch auf das sowjetische Erbe der „einstimmigen“ Verurteilung von „Volksfeinden“ und darauf zurückzuführen sein, dass auch in der Sowjetunion dem menschlichen Leben nur ein „nachrangiger“ Wert zugesprochen wurde.

Ein Klima der Gewalt und der Ermutigung zum Mord, verstärkt durch den Antisemitismus eines Teils der Bevölkerung und durch weitere Faktoren, schufen eine gesellschaftliche Stimmung, durch die die Massenmorde Juden im Kontext der „Neuen Ordnung“ der Nazis als „normal“ erschienen. Einigen Berichten zufolge „beteiligte sich die christliche Bevölkerung, abgesehen von einer Handvoll anständiger Menschen, mit Enthusiasmus an der schändlichen, von den Deutschen initiierten Jagd auf Juden.“ Mychajlo Koval‘ bemerkt zu Recht, dass sich die Stimmung der Ukrainer später änderte, als sie Zeugen der schrecklichen Verbrechen von Hitlers Henkern wurden, etwa solchen wie den Erschießungen in Babyn Jar im Jahre 1941. [10] Die Mitwirkung von Teilen der lokalen Bevölkerung an unmittelbarer oder mittelbarer Gewalt gegen Juden wurzelte in einem Bündel von Ursachen: dem Einfluss der NS-Propaganda; der Verschärfung von Spannungen zwischen Juden und Nichtjuden während der sowjetischen Besatzung der westukrainischen (bzw. ostpolnischen) Gebiete in den Jahren 1939-41; dem Wunsch nach materiellem Gewinn [11], einem Alltagsantisemitismus usw. Die Formen der Beteiligung der lokalen Bevölkerung an der Verfolgung und direkten Ermordung von Juden waren vielfältig: Dienst in den Einheiten der Hilfspolizei; Teilnahme an antijüdischen Pogromen (im Sommer 1941); Erpressung und Auslieferung von Juden, die sich versteckt hatten, an die Besatzungsmacht, was ihren Tod zur Folge hatte.

Es muss betont werden, dass sich keine ukrainische politische Kraft oder militärische Organisation während des Holocausts in der Ukraine für den Schutz der Juden einsetzte. Die sowjetische Regierung, die im Besitz von Informationen über die Vernichtung der Juden durch die Nazis war, machte keinerlei Anstalten, die jüdische Bevölkerung darüber in Kenntnis zu setzen. Es gab keine Proklamationen, Stellungnahmen oder Appelle an die ukrainische Bevölkerung, weder vonseiten des ukrainischen Untergrunds noch der sowjetischen Regierung und der ihnen unterstellten Partisaneneinheiten, die dazu aufgerufen hätten, den Juden Hilfe zuteilwerden zu lassen.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Geschichten der Menschen, die in den von Nazi-Deutschland und seinen Verbündeten besetzen Gebieten Juden vor der Vernichtung gerettet haben. Einige Retter wurden mit dem Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet, der im Namen des Staates Israel auf Grundlage des 1953 in Kraft getretenen „Gesetzes zum Gedenken an Märtyrer und Helden“ an Vertreter verschiedener Nationalitäten und Religionen verliehen wird. Nach Angaben von Yad Vashem liegt die Ukraine (nach Polen, den Niederlanden und Frankreich) an vierter Stelle bei der Zahl der Gerechten unter den Völkern. Bis zum 1. Januar 2020 verlieh die Nationale Gedenkstätte Yad Vashem in Israel 2.659 ukrainischen Rettern, die ihr eigenes Leben und das ihrer Angehörigen riskierten, um Juden während des Zweiten Weltkrieges zu helfen, den Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“. [12] Dabei darf nicht vergessen werden, dass ein erheblicher Teil dieser dieser Fälle in der Ukraine erst seit kurzer Zeit zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden ist. Daher sind die Taten vieler Retter noch unerforscht und ihre Zahl lässt sich nicht vollständig beziffern.

Am häufigsten traten Angehörige der nichtjüdischen Bevölkerung, unter ihnen Ukrainer, Russen, Polen u.a., die jüdische Familienmitglieder (Ehefrauen und -männern, Schwiegereltern und andere nahe Verwandte) hatten, als Retter in Erscheinung. Aber auch Partisanen und Untergrundkämpfer, die die Rettung der Juden als eine Form des Widerstands gegen die Besatzer empfanden, Bürger, die mit den Juden in Nachbarschaft lebten, einer gemeinsamen Arbeit nachgingen, gemeinsam Militärdienst geleistet hatten oder auch die Taten ihrer jüdischen Nachbarn in heiklen Situationen in guter Erinnerung behalten hatten, beteiligten sich an der Rettung. Als Beispiel für Letzteres können die Ereignisse im Dorf Džuryn in der Oblast Vinnycja herangezogen werden, wo die ukrainischen Bauern beschlossen, den Juden zu helfen, da diese sich während der Kollektivierung für den örtlichen Priester eingesetzt hatten. [[1]3] Weitverbreitet waren Fälle, in denen Juden aufgrund von religiösen Überzeugungen und einer christlichen Haltung gegenüber verfolgten Menschen von Ukrainern gerettet wurden.

Hierbei ist erwähnenswert, dass eine beträchtliche Anzahl der Retter christliche Geistliche orthodoxer, römisch-katholischer, griechisch-katholischer sowie protestantischer Konfession waren. Unter ihnen war auch der griechisch-katholische Selige Märtyrer Omeljan Kovč, der die Rettung der Juden mit seinem Leben bezahlte, und eine solche bedeutende Persönlichkeit wie der Metropolit Andrej Šeptyc‘kyj. Letzterer rettete persönlich viele Juden, darunter den Lemberger Rabbiner David Kahane sowie die Söhne des ermordeten Rabbiners Lewin, Kurt (Isaak) und Natan. Der Metropolit bezog einige ukrainische Geistliche in die Rettung der Juden mit ein, darunter seinen Bruder Klymentij. Insgesamt wurden durch die Hilfe Andrej Šeptyc‘kyjs fast 200 Juden gerettet.

Die orthodoxen Priester Oleksij Hlaholjev aus Kyjiw sowie Savelij Cybul’nykov aus Nowa Kachovka (in der heutigen Oblast Cherson), der römisch-katholische Priester Gabriel Marszałek aus Borinycja in der Region Drohobyč, der baptistische Presbyter Mykola Kirilko – das ist eine alles andere als vollständige Aufzählung der Geistlichen, die die verfolgten Juden trotz der Gefahr für das eigene Leben vor dem Genozid durch die Nazis gerettet haben.

Ungeachtet der Heldentaten einiger Vertreter der nichtjüdischen Bevölkerung wurden während der Zeit der Besatzung von 1941 bis 1944 etwa 1,5 Millionen Juden Opfer des Holocaust auf dem Territorium der Ukraine in ihren heutigen Grenzen. Im Laufe des totalen Völkermords wurde die einzigartige Geisteswelt des ukrainischen Judentums vernichtet, der multikulturellen osteuropäischen Zivilisation ein irreparabler Schaden zugefügt und die ukrainische Kultur einer der wichtigen Elemente ihrer Entstehung beraubt.

Aus dem Ukrainischen von Johann Zajaczkowski

[1] Formal gehörte das Territorium der Krim zum Reichskommissariat Ukraine, de facto unterstand es militärischer Kontrolle.

[2] W. Lower listet 49 Siedlungen in Galizien, Wolhynien und Podolien auf, in denen antisemitische Pogrome stattfanden (Lower W. Pogroms, mob violence and genocide in western Ukraine, summer 1941: varied histories, explanations and comparasions. Journal of Genocide Research, September 2011, 13 (3). S. 240.)

[3] Kai Struve: OUN (b), nimci ta antijevrejs’ke nasyl’stvo v Halyčyni vlitku 1941 roku, in: Ukrajina Moderna 24 (2017), S. 234-255, hier S. 237.

[4] Vgl. Aleksandr Kruglov: Tragedija Bab’ego Jara v nemeckich dokumentach. Dnipropetrovs’k 2011, S. 34.

[5] Vgl. Hiroaki Kuromiya: Svoboda i teror u Donbasi: Ukrajins’ko-rosijs’ke prykordonnja, 1870 – 1990-ti roki, Kyjiv 2002, S. 386-387 [zuerst engl. Freedom and Terror in the Donbas. A Ukrainian-Russian Borderland, 1870s – 1990s, Cambridge 1998].

[6] Vgl. Leonid Sušon: Transnistrija: Evrei v Adu. Černaja Kniga o Katastrofe v Severnom Pričernomor’e (po vospominanijam i dokumentam). Odessa 1998, S. 104-105; 119-120.

[7] Oleh Surovcev: Proces deportaciji jevrejs’koho naselennja Pivničnoji Bukovyny 1941 – 1942 rr. jak skladova antijevrejs’koji polityky rumuns’koji okupacijnoji vlady, in: Problemy istoriji Holokostu. Naukovij Žurnal 3 (2006), S. 130-146, hier S. 132.

[8] Jurij Slavik: Represyvna polityka Uhorščyny na Zakarpatti (1938 – 1944). Dysertacija kandydata istoryčnych nauk, Užhorod 2016.

[9] Ihor Ščupak: Uroky Holokostu v ukrajins’kij istoryčnij nauci ta osviti: Vid naratyvu do osmyslennja i postanovka suspil’noho pytannja pro pokajannja (do 75-ji ričnyci trahediji Babynoho Jaru), in: Ukrajins’kyj Istoryčnyj Žurnal 2016, Nr. 5, S. 180-181. Zur Definition von Debois siehe: Žanna Kovba: Holokost očyma francuz’koho svjaščennyka [online unter http://www.istpravda.com.ua/articles/2011/09/9/54245/]. Vgl. auch die deutsche Ausgabe des Buches von Patrick Desbois: Der vergessene Holocaust. Die Ermordung der ukrainischen Juden, Berlin 2009.

[10] M. V. Koval‘: Nacists’kyj henocyd ščodo jevrejiv ta ukrajins’ke naselennja (1941 – 1944 rr.), in: Ukrajins’kyj Istoryčnyj Žurnal 1992, Nr. 2, S. 27.

[11] Ausführlicher über materielle Motive Timothy Snyder: Čorna Zemlja. Holokost jak Istorija i Zasterežennja, Kyjiw 2017, S. 162. [dt. Black Earth. Der Holocaust und warum er sich wiederholen kann, München 2015]

[12] Die Gerechten unter den Völkern [online unter http://www.yadvashem.org/yv/ru/righteous/statistics.asp].

[13] Siehe Il’ja Al’tman, Alla Gerber, David Poltorak (Hrsg.): Kniga Pravedenikow, Moskau 2005, hier S. 14.

Quellen