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Sowjetische Kriegsgefangene in der Ukraine und in Deutschland

von Tetjana Pastushenko

Im Zweiten Weltkrieg gerieten Millionen Militärangehörige aus verschiedenen Ländern in Gefangenschaft. Die meisten Kriegsgefangenen gab es an der sowjetisch-deutschen Front. Fünf Millionen Angehörige der Roten Armee waren in Deutschland in Gefangenschaft [1], mehr als drei Millionen Wehrmachtssoldaten in der Sowjetunion [2]. Die größten Verluste gab es unter den Soldaten und Offizieren der Roten Armee in deutscher Gefangenschaft: 57 Prozent verloren ihr Leben [3].

Die hohen Verluste unter den Gefangenen in der Sowjetunion und in Deutschland und ihr kompliziertes Nachkriegsschicksal gehen unter anderem zurück auf die ideologisch geprägte militärische Gegnerschaft beider Länder und auf den rechtlichen Status der Gefangenen, der ihnen von den Kriegsparteien zugewiesen wurde.

Vor dem Zweiten Weltkrieg galten hohe völkerrechtliche Standards zum Schutz von Kriegsgefangenen. Die Gefangennahme durfte nicht als Strafe oder Rache, sondern lediglich als vorbeugende Festsetzung bis zum Kriegsende erfolgen. Die Sowjetunion hatte allerdings das Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen aus dem Jahr 1929 nicht ratifiziert, weil sie sich aufgrund ihrer auf Angriff ausgerichteten Militärdoktrin völkerrechtlich nicht binden wollte [4].

Deutschland hatte das Kriegsgefangenen-Abkommen zwar ratifiziert. Die deutsche politische und militärische Führung sah den Krieg gegen die Sowjetunion jedoch aus einer rassenideologischen Perspektive und plante ihn entsprechend. Hitler war der Ansicht, dieser Krieg verlange ein anderes, grausameres und unnachgiebiges Vorgehen und die bewusste Ignorierung des Kriegsvölkerrechts [5]. Die bekannteste Verletzung der völkerrechtlichen Normen war der sogenannte Kommissarbefehl vom 6. Juni 1941, der vorsah, dass politische Kommissare der Roten Armee zu erschießen seien. Eine ähnlich grausame Haltung erstreckte sich auch auf Frauen, besonders zu Beginn des Krieges. So wurde im Befehl der 4. Armee vom 29. Juni 1941 angeordnet, Frauen in Uniform zu erschießen [6].

Der Einsatzbefehl Nr. 8 des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Reinhard Heydrich, vom 17. Juli 1941 belegt die Beteiligung der Wehrmacht an der zielgerichteten Tötung sowjetischer Kriegsgefangener, vorwiegend Juden. Das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) und das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) vereinbarten die Durchführung sogenannter „Aussonderungen“. Dies bedeutete, Personen, die aus rassenideologischen oder politischen Gründen „unerwünscht“ waren, zu selektieren, ihnen den Kriegsgefangenenstatus abzuerkennen und sie in Konzentrationslagern zu ermorden (vgl. Quellen im Anhang). Die sowjetischen Kriegsgefangenen waren der Willkür des NS-Terrors praktisch wehrlos ausgesetzt. Dass sie im Winter 1941/42 in großer Zahl umkamen, war unter anderem die Folge dieser verbrecherischen Befehle.

Das Kriegsgefangenenwesen im Deutschen Reich

In der deutschen Armee waren das OKW und das Oberkommando des Heeres (OKH) mit den Angelegenheiten der Kriegsgefangenen betraut, später auch die SS [7] sowie im Deutschen Reich der Reichsarbeitsdienst und in einigen Fällen die Abwehr, der SD und die Gestapo. Im Oberkommando der Wehrmacht war das Allgemeine Wehrmachtsamt für das Kriegsgefangenenwesen zuständig, dort gab es eine entsprechende Abteilung. Anfang 1942 wurde diese Abteilung umstrukturiert und die Dienststelle des Chefs des Kriegsgefangenenwesens eingerichtet. Im Herbst 1944 wurde das Kriegsgefangenenwesen reorganisiert und dem Befehlshaber des Ersatzheeres, Reichsführer SS Heinrich Himmler, unterstellt.

Das OKW war für die Kriegsgefangenenlager, die sich im Deutschen Reich, im Generalgouvernement, in den Reichskommissariaten Ukraine und Ostland, in Norwegen, Belgien und dem besetzten Teil Frankreichs befanden, verantwortlich. Dem OKH unterstanden die Kriegsgefangenlager, die sich unmittelbar im Operationsgebiet, also in der Zone der Kampfhandlungen, und den rückwärtigen Armeegebieten befanden.

Für die Aufnahme und Verteilung der Kriegsgefangenen wurde bereits im Jahr 1939 im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten ein Netz an Kriegsgefangenenlagern geschaffen, das aus Lagern für Offiziere (Oflag), Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlagern (Stalag) und Durchgangslagern (Dulag) bestand. In den Gebieten, die unmittelbar an die Kampfzone angrenzten, gab es Sammel- und Durchgangsstationen.

Die Leitung eines Lagers lag in den Händen eines Offiziers, der mindestens den Rang eines Majors bekleidete. Die Kriegsgefangenenlager wurden von Landesschützenbataillonen bewacht, Gefangene wurden als Lagerpolizisten herangezogen. Die meisten Lagerverwaltungen und Wachabteilungen waren nicht dauerhaft an einem Ort stationiert, sondern wechselten ihren Standort mit den Armeen.

Große Stammlager wurden in der Regel in Gebiets- oder Kreiszentren eingerichtet, die häufig in der Nähe von Bahnstationen lagen, so etwa in Lemberg (Stalag 328), in Rava Rus‘ka/Zamostja (Stalag 325), in Chyriv (Stalag 323), in Žytomyr (Stalag 329), Berdyčiv (Filiale des Stalag 358) und Vinnycja (Stalag 329). Auf dem Territorium des Reichskommissariats Ukraine befanden sich von Mai 1942 bis April 1943 16 Stalags [8]. In der Zeit der deutschen Besetzung der Ukraine gab es insgesamt 30 Stalag-Kommandos und 27 Dulag-Kommandos [9], die Lager und Arbeitskommandos für Kriegsgefangene an 242 Orten errichteten [10].

Ein wesentliches Merkmal der Kriegsgefangenenlager im Jahr 1941 war ihre Überfüllung. Die Zahl der in den Lagern festgehaltenen Gefangenen war so hoch, dass sie fast die Einwohnerzahl der Orte erreichte, in denen sie sich befanden. Novohrad-Volyns‘kyj (Gebiet Žytomyr) hatte knapp zwölftausend Einwohner, in dem dortigen Kriegsgefangenenlager (Dulag 172) waren achttausend Gefangene untergebracht [11]. Mit 445.000  wurde im Oktober 1941 die höchste Zahl von Kriegsgefangenen in den Lagern des Reichskommissariats Ukraine verzeichnet[12]. Sechs Monate später war ihre Zahl auf 135.000  gesunken[13]. Der Verlust an Gefangenen betrug fast 70 Prozent. Die meisten Todesfälle gab es durch Hunger und Infektionskrankheiten. Im Bericht des Wehrmachtsbefehlshabers im Reichskommissariat Ukraine vom November 1941 heißt es: „Die Ursache der hohen Sterblichkeit sind hauptsächlich in der hochgradigen Erschöpfung und Unterernährung zu suchen, mit der die Mehrzahl der Kgf. [Kriegsgefangenen] in die Lager eingeliefert wurde. Und hier erhielt die Mehrheit von ihnen nur Nahrung, der eine ausreichende Menge an Fetten und Proteinen völlig fehlte. Sie hatten keine Kleidung und lebten in unbeheizten Unterkünften. “ [14]. Die fürchterlichen Bedingungen in den Lagern belegen Berichte über Fälle von Kannibalismus. So hätten im Stalag 357 (Šepetivka) Kriegsgefangene „usbekischer und osmanischer Herkunft“ geschwächte Gefangene anderer Nationalitäten in ihre Unterkunft gezogen, dort getötet und die Leichen zerteilt [15]. Im Oktober 1941 wurde über ähnliche Fälle aus Lagern in Rivne und Ostroh berichtet, in denen „alle Beteiligten an diesem Verbrechen unverzüglich erschossen wurden.“ [16]. Erinnerungen von Rotarmisten berichten über den Hunger als endlose Tortur, die während der ganzen Zeit in deutscher Gefangenschaft nicht verschwand. Sogar Wasser gab es oft nicht ausreichend: „In den Lagern standen wir ganze Tage in der Sommerhitze für einen halben Liter Wasser an! Das war die Ration für einen ganzen Tag“[17].

Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft

Die Deutschen verfolgten gegenüber den sowjetischen Kriegsgefangenen eine komplizierte Nationalitätenpolitik, in der sie den baltischen Völkern, den „Volksdeutschen“ und den Angehörigen der muslimischen Kaukasusvölker den Vorrang einräumten. Die Ukrainer befanden sich in der Mitte dieser „Hierarchie“, die Russen nahmen die niedrigste Stufe ein. Mit „rassenbiologischen“ Argumenten ist eine solche Abstufung kaum zu erklären. Wenn aber Deutschlands Erfahrungen im Ersten Weltkrieg und der Gegensatz zum Russischen Imperium berücksichtigt werden, werden die Grundlagen einer solchen Politik gegenüber den Völkern der besetzten Gebiete der Sowjetunion klarer erkennbar [18].Die Russen wurden als Titularnation des Staates, mit denen die Deutschen Krieg führten, gesehen. Deshalb richtete sich die Unterdrückung und Vernichtung in erster Linie gegen sie. Nach einem Befehl des OKW vom 7. August 1941 sollten kriegsgefangene Rotarmisten deutscher, ukrainischer, weißrussischer, litauischer, lettischer und estnischer Nationalität „nach Möglichkeit aus der Kriegsgefangenschaft entlassen werden“ [19]. Am 13. November 1941 wurde dann aber verboten, Ukrainer und Weißrussen in größerer Zahl freizulassen [20]. Entlassungen von Rotarmisten aus der Kriegsgefangenschaft setzten sich allerdings den ganzen Krieg hindurch fort, darunter nicht nur nach nationalen Kriterien, sondern auch Invaliden, landwirtschaftliche Fachkräfte und Lehrer wurden entlassen. Die Möglichkeit zur Entlassung bot sich auch durch den Beitritt zu verschiedenen bewaffneten Formationen in deutschen Diensten, den „Schutzmannschaften“, der einheimischen Polizei, den sogenannten „Hiwi“-Einheiten und verschiedenen weiteren kollaborierenden Formationen, darunter auch der sogenannten Vlassov-Armee (Russische Befreiungsarmee; Russkaja Osvoboditel’naja Armija, ROA). Aber im Vergleich mit den Millionen Todesopfern unter den Kriegsgefangenen konnten sich nur wenige durch Entlassung aus der Gefangenschaft retten. Insgesamt wurden bis Ende 1941 270.000 Rotarmisten aus der Gefangenschaft entlassen. Bis Anfang 1945 waren es 533.000 [21].

Es sind viele Fälle dokumentiert, dass Dorfbürgermeister unter dem Vorwand, dass es sich um Dorfbewohner handelte, sowjetische Kriegsgefangene unterschiedlicher Nationalität aus den deutschen Lagern freibekamen. Örtliche Frauen gaben an, dass es sich bei ihnen völlig unbekannten Männern um ihre Ehemänner, Söhne oder Brüder handelte: „Bei uns im Dorf gab es viele Kriegsgefangene. Wodurch? Der Bürgermeister … Damals war es so, dass der Bürgermeister, wenn er bürgte, das Recht hatte, Gefangene aus dem Lager mitzunehmen. In Bila Zerkva gab es ein Kriegsgefangenenlager. Unser Bürgermeister […] fuhr zum Lager und brachte viele Kriegsgefangene ins Dorf. Er nahm alle mit, Dorfbewohner und Fremde.“ [22] Das weitere Schicksal dieser entlassenen Kriegsgefangenen bestand dann aber oft darin, dass sie als erste zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt wurden: „Von der örtlichen Jugend wurde diesmal niemand mitgenommen, da die Dorfleitung sie gegen Kriegsgefangene austauschte, die in unserem Dorf nach dem Abzug der Roten Armee lebten. Sie nahmen 25 Männer mit.“ [23]

Die Ausnutzung der Arbeitskraft von Kriegsgefangenen in der Wirtschaft des Dritten Reiches

Neben den ideologischen Motiven für die Behandlung der kriegsgefangenen Soldaten der Roten Armee ging es auch um die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft, die zum Einsatz der Gefangenen als Arbeitskräfte führten. Bereits in den Armee-Kriegsgefangenensammelstellen und in den Durchgangslagern wurden aus den Gefangenen, die überlebt hatten, Kommandos gebildet, die für Wehrmachtseinheiten arbeiten mussten. Der Einsatz der Kriegsgefangenen als Arbeitskräfte war der wichtigste Punkt in den Berichten des Wehrmachtsbefehlshabers in der Ukraine. Ende Oktober 1941 wurden 100.000 Kriegsgefangene  im Reichskommissariat Ukraine zum Arbeitsdienst herangezogen [24]. Im November arbeiteten etwa 140.000 Gefangene in der Instandhaltung von Verkehrswegen und Eisenbahnverbindungen [25]. Im Dezember waren 112.000 Kriegsgefangene im Arbeitseinsatz [26].

Nach Hermann Görings Erlass vom 7. November 1941 und einem entsprechenden Befehl Wilhelm Keitels vom 24. Dezember 1941 über den Einsatz der Arbeitskraft sowjetischer Kriegsgefangener in Unternehmen  des Reiches [27] nahmen Mitte Dezember in den Lagern zehn Arbeitseinsatzkommissionen ihre Tätigkeit auf, um alle arbeitsfähigen Kriegsgefangenen für die Rüstungsindustrie zu rekrutieren [28]. Durch eine Quarantäne, die wegen einer Flecktyphus-Epidemie verhängt wurde, wurde der erste Transport mit 1200 Kriegsgefangenen erst im Februar 1942 auf den Weg gebracht [29]. Im März und April 1942 wurden fast 25.000 Kriegsgefangene zu deutschen Unternehmen geschickt [30]. Seit Juli 1943 musste jeder neue Kriegsgefangene nach Deutschland geschickt werden [31]. Jedoch war die Situation in den Stalags in Deutschland nicht bedeutend besser, vor allem am Anfang des Kriegs. Allein im Dezember 1941 starben von 390.000 Kriegsgefangenen, die in den Lagern im Reichsgebiet registriert waren, innerhalb eines Monats 72.000. Bis Anfang April 1942 überlebte kaum jeder zweite [32].

Im August 1944 waren 631.559 sowjetische Kriegsgefangene in Unternehmen des Dritten Reiches eingesetzt. Die meisten arbeiteten im Bergbau, und zwar 159.898, was 36 Prozent aller Ausländer entsprach, die in den Bergwerken tätig waren. In der Hüttenindustrie waren es 130.705 Kriegsgefangene [33]. Dies waren die Industriezweige, in denen die körperlich schwersten Arbeiten verrichtet wurden.

Der rechtliche Status der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion

In der Sowjetunion galt die Gefangennahme als Desertion und Verrat. Deswegen waren Soldaten der Roten Armee, die nach dem Krieg aus deutscher Kriegsgefangenschaft zurückkehrten, erneut Verfolgungen ausgesetzt.

Aus der militärischen Katastrophe von 1941 resultierten verstärkte Repressionen seitens der sowjetischen Führung. Der Befehl Nr. 270 des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR vom 16. August 1941 bezeichnete die Gefangennahme als Desertion und „Verrat an der Heimat“. Dafür wurden nicht nur die Soldaten selbst, sondern auch Familienmitglieder bestraft.

Die Realität führte jedoch zu gewissen Änderungen. Ende 1941 erließ das Staatliche Verteidigungskomitee der UdSSR die Verfügung Nr. 1069, die die Rückkehr „ehemaliger Militärangehöriger der Roten Armee“, die aus einer Einkesselung oder aus der Gefangenschaft entkommen waren, regelte. Sie wurden über militärische Zwischensammelstellen in spezielle Filtrationslager des NKVD überstellt und dort geprüft. Diese Lager existierten von Januar 1942 bis Januar 1946. Nach der Überprüfung wurden diese Kriegsgefangenen, sofern kein belastendes Material gefunden wurde, in die Armee zurückgeschickt. Als im Sommer 1942 in der Roten Armee Strafeinheiten für Soldaten und Unteroffiziere und Sturmbataillone für Offiziere formiert wurden, wurden die aus der Gefangenschaft befreiten Kriegsgefangenen in diese Disziplinareinheiten überstellt [34]. 1944 gab es in der Roten Armee 15 Sturmbataillone und 301 Strafeinheiten. Nach Angaben des Generalstabs der Roten Armee durchliefen 427.910 Personen diese Disziplinareinheiten, von denen 170.298 fielen [35].

Mit den zunehmenden Angriffshandlungen der sowjetischen Truppen im Jahr 1943 wurde das Kontrollprozedere für die ehemaligen Kriegsgefangenen und Soldaten, die sich hinter den deutschen Linien befunden hatten, vereinfacht. Sie wurden von Militärkommissionen in Zwischensammelstellen des Volkskommissariats für Verteidigung und nicht wie zuvor in Sonderlagern überprüft. Oft wurden Armeeangehörige, die während der Kampfhandlungen aus der deutschen Kriegsgefangenschaft befreit worden waren, auch sofort an die Front geschickt. Ihre Überprüfung bestand nun im ersten Gefecht.

Nach dem Kriegsende in Europa wurden die allermeisten Kriegsgefangenen sowie die zivilen Rückkehrer einer Überprüfung und Filtration unterzogen. Von den 1.836.562 Kriegsgefangenen, die überlebt hatten und in die Heimat zurückkehrten, wurden 233.400 verurteilt und in Lager des GULAG verbracht. Mehr als 600.000 wurden zur Zwangsarbeit in sogenannten Arbeitsbataillonen geschickt [36].

Über einen langen Zeitraum hinweg wurden Sowjetbürger, die aus der Gefangenschaft zurückgekehrt waren, in ihren Rechten beschnitten (vgl. den Befehl des Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten und des Volkskommissariats für Staatsicherheit vom 16. Juni 1945 im Anhang) [37]. Erst 1956 gab es den Versuch, die Behandlung der früheren Kriegsgefangenen zu ändern. Am 29. Juni 1956 verabschiedeten das ZK der KPdSU und der Ministerrat der UdSSR die Anordnung „Über die Beseitigung der Folgen von schweren Rechtsverstößen gegen ehemalige Kriegsgefangene und ihre Familien“, in der die Praxis des politischen Misstrauens, die Anwendung repressiver Maßnahmen und die Streichung von Vergünstigungen und Hilfen für ehemalige Kriegsgefangene und ihre Familien verurteilt wurde. Ab 1957 wurden die Strafverfahren gegen ehemalige Kriegsgefangene wiederaufgenommen. Die meisten Verurteilten wurden rehabilitiert. Militärische Ränge, Renten und Orden wurden wieder zuerkannt. Jedoch zog sich die Rehabilitierung der ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen über mehrere Jahrzehnte hin.

Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe

[1]  Nach Angaben russischer Historiker gerieten 4,5 Millionen Angehörige der Roten Armee in Kriegsgefangenschaft, Grigorij Krivošeev (Hg.): Rossija i SSSR v voinach XX veka. Poteri vooružennych sil: Statističeskoe issledovanie. Moskva 2001, S. 239, 453-460. Laut Angaben deutscher Wissenschaftler gerieten über den gesamten Zeitraum der Kampfhandlungen 5,7 Millionen sowjetischer Militärangehörige in die Gefangenschaft der Wehrmacht, Christian Streit: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941–1945. Neuausgabe.  Bonn 1991, S. 136. Der Unterschied in den Zahlen beruht auf dem Fehlen einer gemeinsamen Zählweise und der unterschiedlichen Auswertung historischer Dokumente.

[2] Nach deutschen Angaben gerieten 3,2 Millionen Soldaten und Offiziere der Wehrmacht in sowjetische Gefangenschaft, von denen 35 Prozent umkamen, Rüdiger Overmans: Die Rheinwiesenlager 1945, in: Hans-Erich Volkmann (Hg.): Ende des Dritten Reiches – Ende des Zweiten Weltkrieges. Eine perspektivische Rückschau.  München 1995, S. 277)

[3] Streit: Keine Kameraden, S. 136.

[4] Vgl. dazu im Einzelnen Oleksandr Potil’čak: Radjans’kyj vijs‘kovyj polon ta internuvannja v Ukrajini (1939-1954). Kiev 2004, S. 30-32; Viktor Konasov: Sud’ba nemeckich voennoplennych v SSSR: diplomatičeskie, pravovye i političeskie aspekty problemy. Očerki i dokumenty. Vologda 1996, S. 20-21.

[5] Ausführlicher zum Rechtsstatus sowjetischer Kriegsgefangener Reinhard Otto: Wehrmacht, Gestapo und sowjetische Kriegsgefangene im deutschen Reichsgebiet 1941/42. München 1998.

[6] Rüdiger Overmans, Andreas Hilger (Hg.): Rotarmisten in deutscher Hand. Dokumente zur Gefangenschaft, Repatriierung und Rehabilitierung sowjetischer Soldaten des Zweiten Weltkrieges. – Ferdinand Schöning, Paderborn, 2012. – S. 326f.

[7] Die Struktur des Kriegsgefangenenwesens in Deutschland wird angeführt nach Otto Reinhard, Rolf Keller: Sowjetische Kriegsgefangene im System der Konzentrationslager. Wien, Hamburg 2019, S. 25-31.

[8] Bundesarchiv-Militärachiv (BA/MA), RW6/450, S. 59; BA/MA, RW6/451, S. 17.

[9] Gezählt nach Maryna Dubyk (Hg.): Dovidnyk pro tabory tjurmy ta getto na okupovanij terytoriji Ukraijini (1941-1944). Kiev 2000, sowie nach den Materialien auf der Seite: Lexikon der Wehrmacht ( http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Gliederungen/Kriegsgefangenenlager/Dulag.htm.)

[10] Maryna Dubyk (Hg.): Dovidnyk pro tabory tjurmy ta getto na okupovanij terytoriji Ukraijini (1941-1944). Kiev 2000, S. 18.

[11] Wendy Lower: Nazi Empire-Building and the Holocaust in Ukraine. Chapel Hill 2005, S. 63.

[12] BA/MA, RW41/46, Bericht Nr. 2, S. 6.

[13] BA/MA, RW41/46, Bericht Nr. 8, S. 25.

[14] BA/MA, RW41/46, Bericht Nr. 3, S. 7-8.

[15] BA/MA, RW 41/46, Bericht Nr. 1, S. 6.

[16] BA/MA, RW 41/46, Bericht Nr. 2, S. 8.

[17] Oles‘ T. Hončar: Ščodennyky, Bd. 1: 1943 – 1967, Kyjiv 2002 S. 17.

[18] Rüdiger Overmans: Die Kriegsgefangenenpolitik des Deutschen Reiches 1939 bis 1945, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 9/2. München 2005. S. 729-875, hier S. 807.

[19] Overmans, Hilger (Hg.): Rotarmisten in deutscher Hand, S. 657.

[20] Overmans: Die Kriegsgefangenenpolitik, S. 806.

[21] Dieter Pohl: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in der Sowjetunion 1941–1944. München 2008, S. 217.

[22] Interview mit M. Korobenko, 4.11.2004, Brovary, Oblast Kyjiv, in: „To bula nevolja …” Spohady  lysty ostarbajteriv, Kyjiv 2006, S. 326.

[23] Chronolohična dovidka pro tymčasovy fašysts’ku okupaciju sela Taborove Velykopolovec’koho rajonu Kyïvs’koï oblasti, Deržavnyj archiv Kyïvs’koï oblasti f. R-4758, op. 2, spr. 12, Bl. 41.

[24] BA/MA, RW41/46, Bericht Nr. 2, S. 7-8.

[25] BA/MA, RW41/46, Bericht Nr. 3, S. 8.

[26] BA/MA, RW41/46, Bericht Nr. 4, S. 23

[27] Central’nyj deržavnyj archiv vyščych orhaniv vlady Ukrajiny (CDAVO), f. 3206, оp.1, spr. 102, S. 2а – 3а.

[28] BA/MA, RW41/46, Bericht Nr. 4, S. 23.

[29] BA/MA, RW41/46, Bericht Nr. 6, S. 25-26.

[30] BA/MA, RW41/46, Bericht Nr. 7, 8.

[31] Pohl: Die Herrschaft der Wehrmacht, S. 214.

[32] Ebd.

[33] Herbert U. Fremdarbeiter: Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Dritten  Reiches. Bonn 1999. S. 315.

[34] Zu den Strafeinheiten vgl. im Einzelnen Vjačeslav Zvjagincev: Vojna na vesach femidy. Vojna 1941-1945 v materialach sledstvenno-sudebnych del. Moskva 2006, S. 390 ff.

[35] Ebd., S. 394.

[36] V. N. Zemskov: GULAG (istoriko-sociologičeskij aspekt), in: Sociologičeskie Issledovanija Nr. 6/1991, S. 10-27;  Nr. 7/1991, S. 3-16.

[37] Viktor Zemskov: Repatriacija peremeščennych sovetskich graždan, in: G. N. Sevost’janov u.a. (Hg.): Vojna i obščestvo, 1991-1945, Band 2. Moskva 2004, S. 343.